Mythen in der Wundversorgung: PU-Schaumverbände bei Dekubitus Kategorie I
- Florian Grünig
- 11. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen
In regelmäßigen Abständen erreichen mich Anfragen zur Wundversorgung bei einem Dekubitus der Kategorie I – also einer nicht wegdrückbaren Rötung der Haut, meist im Sakralbereich oder an den Fersen. Häufig wird in diesem Zusammenhang der Wunsch geäußert, einen PU-Schaumverband einzusetzen, um die betroffene Stelle abzupolstern und weitere Hautschädigungen zu verhindern. Doch ist dies tatsächlich sinnvoll?

Was ist ein Dekubitus Kategorie I?
Ein Dekubitus der Kategorie I ist durch eine lokal begrenzte, nicht wegdrückbare Rötung bei intakter Haut gekennzeichnet. Diese entsteht durch anhaltenden Druck, der die Durchblutung beeinträchtigt. Es liegt noch keine offene Wunde vor, jedoch besteht ein erhöhtes Risiko für eine Verschlechterung, wenn keine geeigneten Maßnahmen ergriffen werden.
PU-Schaumverbände – Aufbau und Funktion
PU-Schaumverbände bestehen aus Polyurethan-Schaum, einem Material, das aufgrund seiner weichen und luftdurchlässigen Struktur häufig in Matratzen und Polstern verwendet wird. In der Wundversorgung dienen diese Verbände dazu, ein feuchtes Wundmilieu aufrechtzuerhalten und Exsudat aufzunehmen. Sie sind geeignet für mäßig bis stark exsudierende Wunden.
Warum PU-Schaumverbände bei einem Dekubitus der Kategorie I nicht zur Wundversorgung geeignet sind
1. Unzureichende Druckentlastung
Obwohl PU-Schaum weich ist, sind die in der Wundversorgung verwendeten Verbände nur wenige Millimeter dick. Diese Dicke reicht nicht aus, um eine signifikante Druckverteilung zu erzielen. Für eine effektive Druckentlastung wären mehrere Zentimeter notwendig, wie sie beispielsweise bei speziellen Lagerungshilfen oder Matratzen zum Einsatz kommen. Erst dann erfolgt ein Einsinken und somit eine Druckverteilung.
2. Gefahr der Mazeration
PU-Schaumverbände sind darauf ausgelegt, Feuchtigkeit zu speichern, um ein feuchtes Wundmilieu zu fördern. Bei einem Dekubitus der Kategorie I liegt jedoch keine offene Wunde vor, und es gibt kein Exsudat. Wird der Verband durch Schweiß oder Urin durchfeuchtet, kann dies zu einer Mazeration der Haut führen. Die Haut wird aufgeweicht, der Säureschutzmantel geschädigt, und das Risiko für Hautdefekte steigt sogar.
3. Fehlende Evidenz für Wirksamkeit
Aktuelle Leitlinien empfehlen bei einem Dekubitus der Kategorie I primär Maßnahmen wie konsequente Druckentlastung, regelmäßige Umlagerung und Hautpflege. Der Einsatz von Wundauflagen wird in diesem Stadium nicht standardmäßig empfohlen.
Wirtschaftliche Aspekte – und mögliche Folgen für Verordner
Silikonisierte Schaumverbände mit Kleberand kosten im Schnitt etwa 20 € pro Wundauflage. Diese Kosten werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen – aber nur, wenn eine medizinisch nachvollziehbare Indikation besteht.
Bei einem Dekubitus der Kategorie I liegt keine solche Indikation vor, da es weder eine offene Wunde noch Exsudat gibt. Die Verordnung eines PU-Schaumverbands in diesem Fall gilt somit als nicht wirtschaftlich.
Wirtschaftlichkeitsprüfung und Regress
Kommt es im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zur Beanstandung und kann die Verordnung nicht als ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich belegt werden, können die entstandenen Kosten vom Verordner zurückgefordert werden.
Fazit
Der Einsatz von PU-Schaumverbänden bei einem Dekubitus der Kategorie I ist nicht nur in den meisten Fällen unwirksam, sondern kann unter Umständen sogar kontraproduktiv sein. Stattdessen sollten Maßnahmen wie:
Druckentlastung
regelmäßige Umpositionierung
sorgfältige Hautpflege
im Vordergrund stehen. Eine fundierte Beratung und Schulung des Pflegepersonals ist dabei entscheidend für eine optimale Versorgung.
Eure Meinung ist gefragt!
Was nutzt ihr am liebsten zur Hautpflege bei dekubitusgefährdeten Stellen?
Welche Schaumverbände benutzt ihr im Alltag?
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Quellenangabe:
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